Lokruf nach Deutschland

 

Willkommen in Deutschland. Wir wollen ein Einwanderungsland werden, zumindest für Arbeitskräfte, so stellt es sich die deutsche Politik vor. Nach jahrelangen Versuchen im Klein-Klein des bürografischen Dschungels und des politischen Hick-Hacks, ob wir nun ein Einwanderungsland sind oder nicht, soll nächste Woche der große Wurf gelingen.

Die Ampelregierung stellt die Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung vor. Nicht nur die Wirtschaft, alle Arbeitgeber warten seit Jahren auf freizügigere und unkomplizierte Regelungen für die Gewinnung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern.

Jetzt ist die Not größer denn je angesichts Millionen offener Stellen. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat im dritten Quartal 1.8 Millionen offene Stellen in Deutschland gezählt mit den Schwerpunkten in der Suche nach IT-Spezialisten, Pflegekräften, in der Sozialarbeit, Pädagogik und im Handwerk. Die Lage verschärft sich durch den unaufhaltsamen demographischen Wandel: bis 2035 werden ca. 7 Millionen Beschäftigte, die sogenannten Baby-Boomer den Arbeitsmarkt verlassen und in die Rente gehen.

Es ist also schon längst fünf nach zwölf und die Politik will nun handeln – endlich. Neu wird sein: formelle Abschlüsse und Vorabzusagen von Arbeitgebern sollen nicht mehr entscheidend sein. Das ist überfällig. Nur die deutsche Bürokratie hat sich bisher die Hybris angemaßt, ausländische Bildungsabschlüsse und Qualifikationen nicht anzuerkennen und qualifizierte Arbeitskräfte damit vom Arbeitsmarkt hier fernzuhalten.

Jetzt will die Regierung unter anderem eine Chancenkarte einführen. Zuwanderer, die noch keinen Arbeitsvertrag haben, sollen nach Deutschland kommen können bei Erfüllung bestimmter Kriterien wie zum Beispiel Deutschkenntnisse oder wenn sie einen Bezug zum Land haben.

Wer als zugewanderte Person einmal eine qualifizierte Beschäftigung nachweist, soll außerdem künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können, die nicht reglementiert ist.

Auch die hohen Mindestgehälter, die für ausländische Fachkräfte gelten, um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, werden abgesenkt. Alle künftigen Regelungen wie auch das Ziel der Vermeidung von missbräuchlicher Einwanderung sind wichtig und müssen schnellstens umgesetzt werden.

Leider besteht die Gefahr, dass eine schwerfällige und papierlastig-arbeitende Verwaltung nicht das Tempo fährt, was wir benötigen. Und noch etwas ist wichtig: wir brauchen nicht nur Zuwanderung, sondern auch gesellschaftliche Akzeptanz hin zu längerer Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen und entsprechenden finanziellen Anreiz.

 

Rudolf Kast, 15.12.2022